Live-Action Role-Play und Japan
How “German” Roots do not destine “Japanese” Routes
Vortrag beim Yamaoka Youth Culture Symposium 2018 zur „Übersetzung“ von Larp-Praktiken in Deutschland für Spielende in Japan. 18. März 2018 (So), 13:00-16:00, Osaka Institute of Technology (Umeda Campus).
Live-Action Role-Play (LARP, ライブ・アクション・ロールプレイ) beziehungsweise Live-Rollenspiel fand erst um 2012 Einzug in die Japanische Sprache, als eine angepasste und kommentierte Übersetzung des deutschsprachigen LARP-Regelwerks DragonSys erschien (Weiss/Schlumpp & Hötzel). Zunehmend als eigenständiges Wort denn als Abkürzung verwendet, steht Larp für ein großes Spektrum an Aktivitäten, bei denen die Teilnehmenden Charaktere wie im Theater oder Film übernehmen, mit einander interagieren sowie Aufgaben und Hindernisse wie im (Video)-Spiel bewältigen, um gemeinsam eine Geschichte zu erzählen. Larp als Form der Unterhaltung lässt sich in Europa bis in die späten 1980er Jahre nachweisen, wobei die weltweit größten Veranstaltungen mit über 8.000 Teilnehmenden jährlich im Sommer in Deutschland stattfinden.
Diese Großevents sind im Fantasy-Genre angesiedelt, das heißt, die Spielerinnen und Spieler schlüpfen in die Rollen von Magiern, Elfen, Orks und Untoten, entwerfen Persönlichkeiten, Ziele und Motivationen für ihre Charaktere, auf deren Grundlage sie als diese Charaktere Entscheidungen treffen und handeln. Sie verbringen mehrere Tage in mittelalterlich anmutenden Städten und Zeltlagern, wo sie Rätsel lösen, Handel treiben, Feste feiern und miteinander oder gegen andere Gruppen kämpfen. Durch die aufwendig gestalteten Kostüme, Requisiten und Schauplätze wirkt es für Außenstehende so als ob sie auf dem Set des neuesten Herr der Ringe Films gelandet seien. Im Unterschied zu Film und Theater gibt es beim Larp weder ein Skript noch ein Publikum – jede Interaktion ist improvisiert und die Teilnehmenden sind gleichzeitig Darsteller und ihr eigenes Publikum.
Neben Fantasy-Großveranstaltungen gibt es allein in Deutschland über 600 Larps im Jahr, wobei die meisten Veranstaltungen um die 100 Teilnehmenden aufweisen und von Fantasy über Science-Fiction und Post-Apokalypse ein breites Spektrum an Genres bedienen. In den vergangenen 15 Jahren entstanden auch verschiedene Formen des Bildungs-Larps, bei denen beispielsweise Kinder spielerisch lernen, sich richtig im Wald zu verhalten, und des politischen Larps, bei denen sich eher erwachsene Teilnehmende (extremen) Erfahrungen aus dem Alltag anderer Menschen oder gesellschaftlichen Utopien und Dystopien stellen. So genannte Blockbuster-Larps kennzeichnet wiederum, dass ganze Schlösser oder Schiffe für das Event angemietet werden.
Auch wenn Japan vor allem für Computer- und Video-Rollenspiele wie Final Fantasy (Square Enix) weltweit bekannt ist, so haben auch nicht-digitale Varianten seit den 1980ern einen gewissen Marktanteil für sich erobern können. Auch wenn beispielsweise Tisch- bzw. Konversationsrollenspiele wie Sword World (GroupSNE) einem größeren Publikum unbekannt sind, so erreichen sie in Form von Media-Mixen wie Record of Lodoss War (Mizuno Ryō, Yasuda Hitoshi) als Manga oder Anime breite Zielgruppen in Japan und darüber hinaus.
Seit der Veröffentlichung der Larp-Anleitung Patoria Sōrisu 2012 (Nico Stahlberg, Sugiura Nobitaka) wächst nun das Interesse an Larp in Japan und es wird als Attraktion auf den großen Messen und Veranstaltungen für analoge Spiele gehandelt, wie der Japan Game Convention (JGC), dem Game Market, oder dem TRPG Festival. So jung und aufstrebend Fantasy und Science-Fiction Larp in Japan auch ist, sieht es sich mit einer Reihe an materiellen Einschränkungen konfrontiert, von denen eine die Zugänglichkeit von Raum betrifft — Japans größte Larp-Gruppe trifft sich in einem Gemeindezentrum und nur selten im Wald, geschweige denn auf einem Campingplatz oder in einem Schloss.
In Anlehnung an Japans erste „How-to-larp“-Publikationen diskutiert dieser Beitrag die Entwicklung und den aktuellen Stand von Larp in Japan: Wie kam Fantasy-Larp „im deutschen Stil“ nach Japan? Wie wurde diese Praxis an die lokalen Gegebenheiten angepasst? Welches Verhältnis besteht zu Geschwisterpraktiken wie Cosplay (Verkleiden) und Tischrollenspielen (TRPG)? Der Beitrag analysiert die Wege der Aneignung einschließlich der diskursiven und materiellen Einschränkungen, mit denen die Praktiker verflochten sind.
Allerdings stellt dieser Beitrag den subjektiven und tatsächlich erfahrenen Einschränkungen auch Möglichkeiten gegenüber. Es werden die kleinen (und großen) Gegenstände betrachtet, die Teil des Praxis-Netzwerk Live-Rollenspiel in Japan geworden sind und ihm eine bestimmte Form gegeben haben.
Weiteres Programm: Volker Grassmuck („Allein, aber nicht einsam“), Marei Mentlein („Japanische Subkultur in Deutschland“)
Ort: 1-45 Chayamachi, Kita-ku, Osaka, 530-8568
Osaka Institute of Technology – Umeda Campus (OIT Umeda Tower, 3F)
Einlass: ab 12:30 (keine Registrierung nötig, Eintritt frei)
Sprachen: Deutsch, Japanisch (mit Simultanübersetzung)